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Südsudan: Augencamp ermöglicht Augenlicht nach 13 Jahren Blindheit

Reportage

Eine Mutter sieht zum ersten Mal ihre Kinder. 13 Jahre war sie blind, weil es keine Behandlungsmöglichkeit gab in ihrer Region. Die Operation im Augencamp gibt ihr das Augenlicht zurück.

Text: Franziska Bundi | Fotos: Tatjana Gerber 

Adau Diing Maduol ist auf beiden Augen am Grauem Star erblindet. Die achtfache Mutter aus dem Südsudan erinnert sich, dass es vor etwa 13 Jahren vor der Geburt ihres fünften Kindes passiert ist. Plötzlich spürte sie Schmerzen im linken Auge, als sie auf dem Feld arbeitete. Ihre Sicht wurde schlechter, bis sie das Augenlicht ganz verlor. Das gleiche wiederholte sich auf dem rechten Auge. «Es ging mir miserabel», sagt sie. «Ich konnte nichts mehr selber machen und es tat sehr weh.» 

Zum Glück sprangen ihr Mann und ihre Söhne für sie im Haushalt ein. Zwei der jüngeren Buben kümmerten sich um ihre Mutter und übernahmen das Kochen. Dies, obschon in ihrer Kultur die Frauen dafür zuständig sind. Die neun- und dreizehnjährigen Knaben gehen bis heute nicht zur Schule. Die Bauernfamilie lebt in sehr einfachen Verhältnissen auf dem Land. «Manchmal musste ich Nachbarn um Hilfe bitten und ihnen etwas zahlen, damit sie unsere Felder bestellten», erzählt Adau Diing Maduol. Sie gebar weitere drei Kinder, als sie bereits blind war. «Sie nicht sehen zu können, war sehr hart für mich.» 

Eine Mutter mit ihrem Kind im Arm. Sie trägt eine Maske.
Meine Kinder nicht sehen zu können war sehr hart für mich.

Adau Diing Maduol, Mutter von acht Kindern

Kaum augenmedizinische Versorgung

Ihr Schicksal wendet sich zum Guten im Augencamp. Dieses wird rund 100 km von ihrem Dorf entfernt in der Stadt Wau aufgebaut. Fünf Organisationen ermöglichen das Augencamp: Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK), das Südsudanesische Rote Kreuz, die katholische Diözese von Wau, das Gesundheitsministerium und das Teaching Hospital von Wau.

Auf dem Bild sind Rotkreuz-Freiwillige, die voneinander Abstand haben und in die Kamera schauen in einem Gebäude zu sehen. Sechs von ihnen tragen eine rote Weste mit dem Emblem des Roten Kreuzes.
Die Rotkreuz-Freiwilligen sorgen massgeblich für einen effizienten Betrieb des Augencamps und für das Einhalten von Schutzmassnahmen

Ein Augencamp macht Augenmedizin in abgelegenen Gebieten für alle zugänglich. Es erreicht Menschen wie Adau Diing Maduol, die unter einer heilbaren Augenkrankheit leiden. Denn auf dem Land, wo die Menschen kein fliessendes Trinkwasser und keinen Strom haben, fehlt es auch an einer Gesundheitsversorgung. Für rund 14 Millionen Menschen im Südsudan gibt es zurzeit nur fünf Augenärztinnen und -ärzte gegenüber 1080 in der Schweiz. 

Voruntersuchung an drei Standorten

Schnell hat sich herumgesprochen, dass ein Augencamp stattfindet. Um zu verhindern, dass Menschen mit nicht behandelbaren Augenkrankheiten von weit her anreisen, findet zuvor an drei Orten eine Triage statt. Der Andrang ist sehr gross. 

Das Personal des Regionalspitals von Wau, unterstützt von den Rotkreuz-Freiwilligen, begutachtet über 1000 Personen mit Augenleiden. Einigen kann aufgrund ihrer Erkrankung nicht geholfen werden. Andere kommen auf eine Warteliste. Menschen, die wegen dem Grauen Star erblindet sind, werden zuerst ausgewählt. Denn ihnen hilft eine kurze Operation: Die getrübte Linse wird durch eine Kunstlinse ersetzt. So gewinnen sie ihr Augenlicht zurück. 

Das Bild zeigt von der Seite einen Mann in einer roten Weste auf einem Stuhl an einem Tisch. Ihm gegenüber sitzen mehrere Männer mit einem Blindenstock in einer Schlange angereiht. Im Hintergrund ist eine weitere Frau mit roter Weste und zwei Männer zu sehen. Die Szene spielt sich draussen im Schatten ab.
Adau Diing Maduol ist seit 13 Jahren blind - sie wartet mit ihrem jüngsten Kind auf dem Schoss auf die Voruntersuchung.

Adau Diing Maduol ist eine von 586 Erkrankten, die für eine Operation registriert werden. Darunter waren neun Kinder. Sie kann ihr Glück kaum fassen: «Ehrlich gesagt hatte ich die Hoffnung verloren, je wieder sehen zu können, weil wir arm sind und kein Geld haben.» 

56 Operationen pro Tag

Drei Augenärzte und medizinisches Assistenzpersonal reisen aus der 600 km entfernten Hauptstadt Juba ins temporär errichtete Augencamp. Zuerst überprüfen sie die Diagnose und die medizinische Verfassung von allen, die für eine Operation registriert sind. Während zwölf Tagen arbeiten sie im Regionalspital von Wau. Durchschnittlich operieren sie in zehn Stunden pro Tag 56 Patientinnen und Patienten. 

Die Freiwilligen des Südsudanesischen Roten Kreuzes kümmern sich um das Organisatorische: Sie helfen bei der Aufnahme der Erkrankten, zeigen ihnen, wo sie warten können und führen sie in den Operationssaal. Sie sorgen dafür, dass alle die Corona-Schutzmassnahmen einhalten. Am Folgetag untersuchen die Augenärzte, wie gut die frisch Operierten sehen können. 

Sie sind zufrieden mit dem Ergebnis: Nur bei einem Prozent der Operierten gibt es keine Besserung. Vier Wochen nach der Operation erfolgt eine zweite Kontrolle.

Täglich kommen zusätzlich spontan über 600 Menschen mit Augenkrankheiten unangemeldet zum Augencamp. 

Grosser Erfolg

Das Augencamp fand 2019 zum ersten Mal in Südsudan statt. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die in der guten Zusammenarbeit von allen Beteiligten wurzelt: Dem Roten Kreuz, dem lokalen Gesundheitspersonal und der katholischen Diözese Wau, die verantwortlich ist für die Gesamtorganisation. Die Bevölkerung und die regionalen Behörden schätzen das Angebot sehr. 

Jürg Graf ist SRK-Programmverantwortlicher Südsudan. Er unterstreicht die Bedeutung der Augencamps: «Sie sind sehr wertvoll, weil sie eine grosse Wirkung erzielen. Mit einer einfachen Operation wird eine blinde Person sehend gemacht oder eine Seheinschränkung geheilt. Betroffene können wieder arbeiten und am sozialen Leben teilnehmen, was ein Mehrwert für die ganze Gesellschaft ist.»  

In der Mitte des Bildes befinden sich drei Kinder, ein Jugendlicher und eine erwachsene Frau. Die Frau hält das kleinste Kind im Arm. Der Hintergrund ziert eine Hütte mit einem Strohdach sowie Gras und Bäume.

GUT ZU WISSEN

Das Engagement des SRK im Südsudan

Das SRK ist seit 1998 im südlichen Sudan aktiv. 2011 spaltete sich der Südsudan ab und gründete einen eigenen Staat. Seither setzt sich das SRK gemeinsam mit dem neu gegründeten Südsudanesischen Roten Kreuz im Land ein für:

  • Prävention von vermeidbaren Krankheiten

  • Sichere Geburten und gesunde Kinder

  • Zugang zu Trinkwasser und sanitären Anlagen

  • Verbesserung des Blutspende-Dienstes

  • Augengesundheit

  • Stärkung des Südsudanesischen Roten Kreuzes

Highlights:

Trotz Covid-19 leisteten das SRK und das Südsudanesische Rote Kreuz 2021 wichtige Arbeit im Bereich Blutspende und Gesundheitsförderung. Wir sammelten über 3'200 Blutspenden. Wir erreichten über 40'000 Menschen mit Aktivitäten zur Gesundheitsförderung und über 18'000 Personen profitierten von psychosozialer Unterstützung. Weiter bohrte das Rote Kreuz fünf neue Brunnen, reparierte 37 beschädigte Wasserstellen und baute sechs Latrinen in Schulen und Gesundheits-Einrichtungen.

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