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Gaza: Grosse Hürden für lebensrettende Hilfe

Interview

Die Not der Menschen in Gaza ist immens. Sie brauchen dringend Nahrung, Wasser und medizinisches Material. Doch viele Hilfsgüter können die Grenze nicht passieren. Die Mitarbeitenden des Roten Halbmondes und Roten Kreuzes sind unermüdlich im Einsatz, damit es gelingt die langersehnte Hilfe über Ägypten ins Land zu bringen. Michel Sabat, SRK-Logistiker, ist einer von ihnen.

Interview mit Michel Sabat

Michel Sabat

Michel Sabat 

Michel Sabat arbeitet seit sieben Jahren für die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Der 34-jährige Logistikfachmann kommt regelmässig in Katastrophengebieten zum Einsatz. Für die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) war er unter anderem in Syrien, Mosambik und im Irak tätig, für das SRK in der Ukraine. Seine Aufgaben in Ägypten sind vielfältig: Freiwillige ausbilden, Warentransporte nachverfolgen, Lagerorte finden usw. 

Gelingt es Ihnen, die Menschen im Gazastreifen mit Hilfsgütern zu versorgen?

Die Teams des Ägyptischen Roten Halbmondes arbeiten sieben Tage die Woche rund um die Uhr. So ist es ihnen gelungen, gegen 200000 Tonnen Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen. Aus logistischer Sicht bleibt die Situation jedoch schwierig. Viele Konvois erhalten keine Passierscheine und werden von den israelischen Behörden abgewiesen. Tausende Tonnen Hilfsgüter bleiben so in Ägypten blockiert und müssen dort gelagert werden. Jetzt, Anfang April 2024, warten 2000 Lastwagen in der Nähe der Grenze, um in den Gazastreifen zu gelangen.

Was machen Sie mit dem Material, das nicht über die Grenze kann?

Wir lagern die Güter vorübergehend auf ägyptischem Boden und hoffen, sie bald in die besetzten palästinensischen Gebiete transportieren zu können. Unsere Lager sind zu mehr als 80 Prozent gefüllt. Daher haben wir in Al-Arisch und Ismailia mit dem Aufbau mobiler Lagereinheiten begonnen. Das sind grosse Zelte von je 240 m² Fläche. In den letzten Wochen haben wir 11 davon aufgestellt. Das neue Logistikzentrum, das in Al-Arisch in Vorbereitung ist, wird eine Fläche von 90000 m2 haben, was etwa 15 Fussballfeldern entspricht.   

Wenn klare Regeln fehlen, bleibt nur eines: immer wieder probieren.

Michel Sabat, Leiter der Versorgungskette für Gaza

Welches Material wird nicht durchgelassen?

Es gibt leider keine klaren Kriterien. Es wird uns nur selten erklärt, warum eine Lieferung verweigert wurde. Am häufigsten betroffen ist medizinisches Material für Spitäler. Genau dieses wird jedoch in den Spitälern im Gazastreifen dringend benötigt. Wenn klare Regeln fehlen, bleibt nur eines: immer wieder probieren.

Ihre Aufgabe ist auch, Logistikfachleute auszubilden. Wer ist das?

Das sind Freiwillige. Der Ägyptische Rote Halbmond kann auf ein grosses Netz von Freiwilligen zurückgreifen. Kürzlich habe ich eine Logistikschulung für 30 Personen durchgeführt, 21 Männer und neun Frauen aus den Gouvernements Ismailia, Port Said und Rotes Meer. Diese Freiwilligen kommen aus den unterschiedlichsten Berufen: Hilfsapothekerin, Rechtsanwalt, Elektrikerin, Übersetzer, Buchhalterin, Doktorand usw. Es war sehr inspirierend, mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten, die keine Erfahrung in der Logistik hatten, aber hoch motiviert waren. Einige Personen sind nach Abschluss der Schulung gleich in die Hafenregionen gereist, um ihre Hilfe anzubieten.

Was braucht der Ägyptische Rote Halbmond für diese Hilfsaktion?

Die von Ägypten aus geführte Aktion besteht zum grossen Teil aus Logistik. Seit der Eskalation des Israel-Gaza-Konflikts sind Logistikfachkräfte gefragter denn je. Der Ägyptische Rote Halbmond schafft neue Strukturen und wird gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, mit einem modernen Tracking-System und einer eigentlichen Strategie für die Anwerbung von Freiwilligen.

Warum stellt die ägyptische Solidarität für Sie auch eine Herausforderung dar?

Die ägyptische Bevölkerung ist sehr spendefreudig. 35 Prozent der gesamten Hilfe, die im Gazastreifen ankommt, stammt von Spenden aus Ägypten. Alle diese Spenden werden vom Ägyptischen Roten Halbmond gesammelt und verwaltet. Während des Ramadan ist die Solidarität noch grösser. Wer ein kleines Geschäft hat, spendet, was er herstellt oder verkauft. Ein Bäcker spendete zum Beispiel eine Palette Croissants. Die Art und Vielfalt dieser Spenden ist eine zusätzliche Herausforderung für uns Logistik-Fachleute.

Zu Lande, zu Wasser oder in der Luft

Das bewirkte der Ägyptische Rote Halbmond

0Tonnen

Hilfsgüter, die über den Luftweg in Ägypten eintrafen

0Schiffe

mit 56’000 Tonnen Hilfsgütern

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Hilfsgüter, die per Lastwagen eintrafen 

GUT ZU WISSEN

Ägyptischer Roter Halbmond: Drehscheibe für 41 Länder und 20 Organisationen 

Der Ägyptische Rote Halbmond hat als einzige Organisation Zugang zum Nordsinai und dem Grenzübergang Rafah. Im Auftrag der Behörden koordiniert er die gesamte eingehende humanitäre Hilfe sämtlicher Organisationen.  41 Länder und 20 humanitäre Hilfsorganisationen schickten ihre Hilfsgüter über den Ägyptischen Roten Halbmond in den Gazastreifen.

Doch zahlreiche Hürden erschweren die Hilfe für die Bevölkerung des Gazastreifens.  Auf dem Landweg gibt es nur zwei Durchgänge. Die Transporte werden mit den Behörden koordiniert. Die Lastwagen legen über 100 km zurück, auf denen sie vier Sicherheitskontrollen passieren. Bei der Ankunft im Gazastreifen müssen alle Lastwagen entladen und die Güter auf lokale Lastwagen umgeladen werden – von Hand.  Die humanitäre Hilfe, die in den Gazastreifen gelangen darf, reicht nicht aus, um den riesigen Bedarf von mehr als zwei Millionen Menschen zu decken. Innerhalb von sechs Monaten passierten etwas mehr als 16000 Lastwagen mit humanitären Gütern die Grenzübergänge Rafah (Ägypten) und Karam Shalom (Israel). Vor der Eskalation des Konflikts fuhren täglich 400 bis 500 Lastwagen in den Gazastreifen ein.

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