Jugend im Stresstest: Psychische Belastungen müssen früh angesprochen werden
Die Corona-Pandemie verstärkt psychische Belastungen und ausgeprägte Zukunftsängste bei Kindern und Jugendlichen in der Schweiz. Diesen alarmierenden Befund nutzten rund 180 Fachpersonen sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik, Verwaltung, Bildung, NGOs und Zivilgesellschaft, um sich an der 18. Nationalen Fachtagung des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) zu vernetzen sowie Erfahrungen und Fachwissen auszutauschen. Als Handlungsfelder wurden die Sensibilisierung des Umfelds, die interdisziplinäre Vernetzung und Weiterbildung sowie ein verbesserter Zugang zur Versorgung definiert.
Fällt die gewohnte Alltagsstruktur weg, geraten junge Menschen psychisch unter zusätzlichen Druck – das zeigt die Corona Pandemie eindrücklich auf. Kinder und Jugendliche leiden vor allem unter den sozialen Einschränkungen. Die Folgen sind psychische Belastungen, Zukunftsängste, die verstärkte Verbreitung von depressiven Symptomen sowie Auto-Aggressionen und Suizidgedanken. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die bereits in belasteten Situationen leben, z.B. in armutsgefährdeten Familien mit gesundheitlichen und ökonomischen Schwierigkeiten, erweisen sich einmal mehr als besonders verletzlich. Dies sind Resultate aus dem aktuellen Corona-Report und dem Positionspapier von Pro Juventute, die Mitte November publiziert wurden (Corona Report und PositionspapierÖffnet ein neues Fenster).
Die vom SRK in Partnerschaft mit Pro Juventute organisierte Nationale Fachtagung «Jugend im Stresstest» leistet einen wertvollen Beitrag zur Sensibilisierung und Vernetzung für dieses wichtige Thema. «Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Resilienz unserer Kinder und Jugendlichen mit zusätzlichen Angeboten und Bewältigungsstrategien zu stärken. So dass sie für künftige Krisen besser vorbereitet sind» sagt Barbara Schmid-Federer zum Abschluss der Tagung. «Dafür braucht es von der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Hand verstärktes Engagement und finanzielle Investitionen.» Schmid-Federer ist Vizepräsidentin des Schweizerischen Roten Kreuzes, Präsidentin von Pro Juventute Schweiz und Stiftungsratsmitglied von Pro Mente Sana.
Therapieangebot ausbauen
Ambulatorien sowie Kinder- und Jugendtherapiestellen haben lange Wartefristen. Diese Unterversorgung hat sich in der Corona-Pandemie verschärft. Für die Zukunft besteht auch für Dr. Daniel Frei, Kinderarzt, Vorstandsmitglied Public Health Schweiz, klarer Handlungsbedarf: «Psychisch gefährdete junge Menschen dürfen von Politik und Gesellschaft nicht ihrem Schicksal überlassen werden. Der Mangel an geeigneten Therapieangeboten muss durch zusätzliche Finanzierung behoben werden.»
Ansprechen von psychischen Belastungen soll selbstverständlich werden
Neben den verfügbaren Therapieplätzen müssen auch niederschwellige Angebote ausgebaut werden. Mit präventiven Ansätzen können die Ressourcen der jungen Menschen gestärkt und hilfreiche Bewältigungsstrategien vermittelt werden. Weiter ist es von grosser Bedeutung, mehr personelle und finanzielle Ressourcen in der praxisnahen Aus- und Fortbildung von Fachpersonen unterschiedlicher Berufsgruppen für die Früherkennung von psychischen Belastungen bei jungen Menschen zu investieren. Das frühzeitige Erkennen und tabufreie Ansprechen von psychischen Belastungen bei jungen Menschen sollte selbstverständlich sein: in der Schule, Lehrbetrieben und Freizeitvereinen, wie auch in der psychologisch-psychiatrischen und in der medizinischen Versorgung.
Angebote des Roten Kreuzes
Das Rote Kreuz setzt sich seit Jahren mit niederschwelligen Angeboten für die Prävention und Früherkennung von psychischen Belastungszuständen bei Kindern und Jugendlichen ein. Freiwillige der Kantonalverbände und des Jugendrotkreuzes engagieren sich für Familien: Kinderbetreuung zuhause, Hausaufgabenhilfe, Mentoring-Projekte für Lehrstellensuchende und Freizeitprogramme für junge Geflüchtete.
Fachpublikation 2021
Die Tagung vom 30. November 2021 wurde organisiert durch das SRK in Zusammenarbeit mit Pro Juventute und dem Verbund Support for Torture Victims, dem nationalen Zusammenschluss der Therapiezentren für traumatisierte Geflüchtete in Genf, Lausanne, Zürich, St. Gallen und Bern.