Ukraine: Gespräche gegen die Tränen
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•Viele ältere Menschen in der Ukraine haben alles verloren: die Familie, das Zuhause und die Hoffnung, einst wieder so zu leben wie früher. Die Haushalthilfen des Roten Kreuzes bringen neben Lebensmitteln und Medikamenten etwas Abwechslung in einen Alltag voller Schmerz.
Seit August 2023 ist für Wira Zariuschenkos nichts mehr wie früher. Während einer Verteilung von Hilfsgütern wurde ihre Heimatstadt Biloserka am Fluss Dnjepr bombardiert. Wira Zariuschenko wurde verletzt und begab sich ins Spital. Dort gab es weder Strom noch medizinisches Material. «Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich habe den erstbesten Zug genommen und bin geflüchtet.» Seit eineinhalb Jahren hat sie ihr Zuhause nicht mehr gesehen. Heute lebt sie in Koroliwka. Das Dorf liegt im Westen der Ukraine, 800 km entfernt von ihrer Heimatstadt. An eine Rückkehr ist derzeit nicht zu denken.
Fern von allem Vertrautem
Wira Zariuschenko teilt die Sorgen ihrer Bekannten, die im Osten geblieben sind. Wann immer sie kann, telefoniert sie mit ihnen. Sie hat in Biloserka ihre Freunde, ihr Haus und ihr Herz zurückgelassen. Am Tag unseres Besuchs erfährt sie Schlimmes: Eine Bekannte wurde auf der Strasse von einer Bombe getroffen. Die Trauer der im eigenen Land geflüchteten Ukrainerin ist förmlich greifbar. Es kostet sie Kraft, uns ihre Geschichte zu erzählen. Es scheint einfacher, sich in Schweigen zu hüllen und um Vergangenes zu trauern. Doch dank der Anwesenheit der schwungvollen Rotkreuz-Mitarbeiterin Anna Urschuk (46) beginnt die Seniorin zu erzählen.
Vielfältige Hilfe
Ein Ohr für Verletzliche
Verletzlichen Menschen zuhören – auch das gehört zu den Aufgaben der Rotkreuz-Mitarbeiterin. In einer Schulung des Roten Kreuzes hat Anna Urschuk gelernt, die psychische Gesundheit der betreuten Personen zu stärken. Jeden Tag sieht sie die seelischen Narben, die der Konflikt bei den Geflüchteten hinterlassen hat. Auch Wira Zariuschenkos Wunden sind noch längst nicht verheilt.
Das Ukrainische Rote Kreuz wächst
Das Ukrainische Rote Kreuz (URK) ist heute die wichtigste humanitäre Organisation im Land. In den letzten drei Jahren sind seine lokalen Zweigstellen wegen der grossen Nachfrage stark gewachsen. Zum Beispiel Ternopil: Diese Zweigstelle beschäftigte Anfang 2022 fünf Angestellte, heute sind es 150. Sie bleibt jedoch weiterhin auf die finanzielle Unterstützung von Partnern wie dem Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) angewiesen.
Zusätzliche Mittel nötig
Das SRK unterstützt seine ukrainische Schwestergesellschaft bei den Hauspflegediensten und der psychosozialen Hilfe. Seit Kurzem bietet das URK neue Aus- und Weiterbildungskurse an. Diese sollen den Menschen helfen, wieder eine Stelle zu finden. Da die Männer an der Front sind, ist der Bedarf nach Arbeitskräften in gewissen Bereichen riesig. Das Programm deckt eine grosse Nachfrage. Die ersten Erfahrungen sind sehr ermutigend: Dank des Programms haben Einige bereits eine Stelle gefunden. Um das Programm weiterführen zu können, ist das Rote Kreuz auf die Solidarität seiner Spenderinnen und Spender angewiesen – auch in der Schweiz. Die gemeinsamen Hilfsangebote von SRK und URK sollen bis mindestens Ende 2028 laufen.
Suchdienst SRK
Wegen des Konflikts in der Ukraine werden derzeit fast 39 000 Menschen vermisst. Ihre Angehörigen in der Schweiz wenden sich an den Suchdienst SRK. Dieser versucht in Zusammenarbeit mit den nationalen Rotkreuz-Suchdiensten auf der ganzen Welt und dem IKRK, Hinweise zu finden oder Kontakte wiederherzustellen.