Vielversprechender Ansatz für eine bessere Gesundheit
Interview
•Mit Verhaltensänderungen tun sich alle Menschen schwer. Nicole Rähle und Monika Christofori-Khadka, Gesundheits-Expertinnen des SRK, entwickelten einen Ansatz, der Verhaltensänderungen nachhaltig fördert. Sie bilden Mitarbeitende und Freiwillige der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung in diesem Ansatz weiter. Im Interview erklärt Monika Christofori-Khadka, was es braucht, um gesundheitsfördernde Gewohnheiten im Alltag zu verankern.
Interview mit Monika Christofori-Khadka
Monika Christofori-Khadka
Die Fachexpertin Gesundheit ist seit 2006 beim SRK tätig. Sieben Jahre war sie Programmverantwortliche für verschiedene Länder. Heute berät sie Programmverantwortliche des SRK und Mitarbeitende der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung zu Gesundheitsförderung. Die 58-Jährige hat einen Master in Public Health sowie in Health Economics, Policy and Management.
Monika, warum setzt das SRK in seiner Strategie der Internationalen Zusammenarbeit ab 2025 stärker auf Verhaltensänderung?
Im Rahmen unserer Aktivitäten zur Gesundheitsförderung und in Zusammenarbeit mit unseren Schwestergesellschaften war es stets unser Ziel, positive Verhaltensänderungen zu bewirken. Doch wir setzten zu stark auf die reine Wissensvermittlung. Wir gingen davon aus, dass Menschen ihr Verhalten ändern, wenn sie die nötige Infrastruktur haben und gut informiert sind, welches Verhalten gesundheitsfördernd wäre. Doch wir stellen das auch bei uns selbst fest: Die meisten wissen, was gut für die Gesundheit wäre. Trotzdem essen wir zu wenig Gemüse und bevorzugen häufig den Lift.
Was braucht es, um ein Verhalten nachhaltig zu ändern?
Wir müssen die Gründe unseres Verhaltens kennen. Ist es Zeitmangel, hemmen uns andere Faktoren?
Wer sich mit den Ursachen eines Verhaltens auseinandersetzt, kann es nachhaltig ändern.
Erst wenn wir die Ursache kennen, können wir Lösungen suchen. Das ist ein zeitintensiver Ansatz. Doch wir sind überzeugt, dass wir dadurch nachhaltigere Resultate erzielen als mit reiner Wissensvermittlung.
Wie findet man heraus, was die Menschen hindert?
Mit diesem Ansatz vergleicht man Personen, die ein angestrebtes Verhalten umsetzen, mit denjenigen, die es nicht tun. Die Unterschiede schaut man sich genauer an. Woran liegt es, dass jemand seine Hände nicht wäscht oder auf die Seife verzichtet? Riecht die Seife schlecht? Ist sie falsch platziert? Gemeinsam mit den betreffenden Menschen wird ermittelt, was die Ursache ist und was man tun kann, damit das angestrebte Verhalten leichter umsetzbar ist.
Was braucht es, wenn die hemmenden Faktoren beseitigt sind?
Das neue Verhalten muss eingeübt und bewusst in den Alltag integriert werden, bis es zu einem Automatismus geworden ist. Rückschritte sind normal: Man wird nachlässig oder fällt in das alte Muster zurück.
Das Ziel ist ein Zustand der Gewohnheit. Das heisst, man vermisst etwas, wenn man einmal aussetzt.
Das Ziel ist ein Zustand der Gewohnheit. Das heisst, man vermisst etwas, wenn man einmal aussetzt. Beispielsweise fühlt man sich nun schmutzig, wenn man die Hände nicht gewaschen hat. Das neue Verhalten ist bestenfalls gar zu einer liebgewonnenen Routine geworden. Idealerweise ermutigt man nun andere, das neue Verhalten zu übernehmen.
Kannst du das an einem Beispiel erläutern?
In Nepal zum Beispiel stellten wir fest, dass nur 20 Prozent der Haushalte das Trinkwasser so transportierten und aufbewahrten, dass es sauber bleibt. Gemeinsam mit dem Nepalesischen Roten Kreuz (NRK) eruierten wir also die Unterschiede im Verhalten. Familien, deren Wasser kontaminiert war, sagten uns, dass sie keinen passenden Deckel für den Krug haben oder diesen jeweils zu Hause vergessen, wenn sie Wasser holen. Andere haben den Krug vor dem Befüllen nicht gut genug ausgewaschen, benutzten einen verschmutzten Schöpflöffel oder wischten die Trinkgläser mit einem verschmutzten Lappen aus, statt sie mit Seife abzuwaschen und in der Sonne trocknen zu lassen. Die betroffenen Familien halfen mit, praktische Lösungen zu finden. Sie hatten die Idee, den passenden Deckel mit Nagellack zu markieren oder um den Wasserkrug zu binden.
Die betroffenen Menschen helfen mit, die für sie praktischen Lösungen zu finden.
In Bangladesch ist ein wichtiges Ziel, die Anzahl der risikoreichen Hausgeburten zu senken. Es stellte sich heraus, dass es wenig nützt, wenn das Rote Kreuz die schwangeren Frauen über sichere Geburten in den Gesundheitszentren informiert, weil es die werdenden Väter sind, die entscheiden. Zudem gab es nachts keine Transportmöglichkeit. Neu werden die Männer zu Besuchstagen in die Gesundheitszentren eingeladen und ein Transportdienst mit Freiwilligen hat sich formiert. Diese Massnahmen greifen. 2024 gebaren fast 90 Prozent der Frauen in den Gesundheitszentrum – ein Anstieg von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Das ist eindrücklich, ein vielversprechender Ansatz. Wichtig ist ja die Zusammenarbeit mit den betroffenen Gemeinschaften – wer setzt diese um?
In den Ländern, in denen wir aktiv sind, wollen wir die Mitarbeitenden und Freiwilligen unserer Schwestergesellschaften dazu befähigen diesen Ansatz anzuwenden. Mehrere Schwestergesellschaften haben uns bereits angefragt, dass wir sie dabei unterstützen.
In Nepal zum Beispiel waren es Teams des Nepalesischen Roten Kreuzes, die mit den Dörfern Workshops durchführten und so die Ursachen hinter deren Verhaltensweisen ausfindig machten.
Bisher Erreichtes
Schulungen
Bisher führte das SRK sechs Schulungen für die nationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften in Bangladesch, Laos, Nepal, Paraguay, Südsudan und Ukraine durch.
Eigenständige Wiedergaben
Bisher haben zwei Schwestergesellschaften – Laos und Nepal - das in den Trainings Erlernte repliziert und weitere Verhaltensanalysen eigenständig durchgeführt. Die SRK-Expertinnen boten ihren Kolleginnen Online Coaching bei Rückfragen.
Geschulte Mitarbeitende und Freiwillige
So viele Mitarbeitende und Freiwillige der Schwestergesellschaften wurden bisher von den SRK-Expertinnen geschult.