Überleben in den Camps von Cox’s Bazar
Gegen eine Million Menschen leben in den Flüchtlingslagern von Cox’s Bazar in Bangladesch. Vor sieben Jahren sind sie vor der Gewalt im benachbarten Myanmar geflohen. Sie sind komplett auf die zunehmend schwindende internationale Hilfe angewiesen und haben keinerlei Zukunftsaussichten.
Es herrscht drückende Hitze in den Flüchtlingslagern im Distrikt Cox’s Bazar in Bangladesch. Bis zum Horizont reihen sich in der einst bewaldeten Hügellandschaft einfache Unterkünfte aus Planen und Bambus aneinander.
Sieben Jahre Provisorium
Vor sieben Jahren nahm Bangladesch 603 000 Personen auf, die vor der Gewalt im Nachbarstaat Myanmar geflüchtet waren. Sie liessen sich in einem der ärmsten Distrikte des Landes nieder, gesellten sich zu den rund 300 000 geflüchteten Menschen, die schon früher nach Bangladesch gekommen waren.
Der Staat hat 60 Kilometer von der Stadt Cox’s Bazar entfernt Tausende Hektaren abgeholzt, um provisorische Unterkünfte zu errichten.
Benedikt Kälin, Programmverantwortlicher beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK)
GUT ZU WISSEN
Internationale Rotkreuz-Hilfe
Heute lebt gegen eine Million Menschen auf engstem Raum in 33 Camps, die vom Staat Bangladesch und der UNO verwaltet werden. Doch Bangladesch kann kaum einheimische mittellose Familien unterstützen. Daher leistet der Bangladeschische Rote Halbmond (BRH) als Partner der staatlichen Behörden humanitäre Hilfe. Die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften und mehrere nationale Gesellschaften unterstützen ihn dabei.
Perspektivlosigkeit
Das SRK engagiert sich in der Gesundheitsversorgung, der Abfallentsorgung und im Bau von provisorischen Unterkünften. Die Regierung will, dass die Lager eine Übergangslösung bleiben – selbst wenn die geflüchteten Familien in absehbarer Zeit nicht in ihr Heimatland zurückkehren können. Zugleich dürfen sich die Geflüchteten in Bangladesch nirgendwo sonst niederlassen und haben keinen Zugang zum Gesundheitswesen. Die Erwachsenen dürfen nicht arbeiten und die Kinder nicht die öffentliche Schule besuchen. Zudem haben sie weder die Staatsangehörigkeit von Bangladesch noch jene von Myanmar, wo sie ihnen ab 1982 aus ethnischen Gründen entzogen wurde.
Hinter dem Stacheldraht
«Jedes Lager ist von Stacheldraht umgeben und die Eingänge werden überwacht. Vor Sonnenuntergang müssen das humanitäre Personal und alle Externen – auch die Polizei – das Camp verlassen», so Felicitas Ledergerber (rechts auf dem Bild), die bis vor Kurzem während zwei Jahren als SRK-Delegierte in Cox’s Bazar arbeitete. Die Menschen im Lager werden sich selbst überlassen und sind der Gewalt, die in den letzten Jahren drastisch zugenommen hat, schutzlos ausgeliefert.
Neue Unterkünfte
In den Unterkünften, die das Rote Kreuz und der Rote Halbmond in jüngster Zeit errichtet haben, steht der Ofen auf einer Steinplatte. Diese verhindert, dass herabfallende Funken einen Brand auslösen. In der Vergangenheit kam es mehrfach zu verheerenden Bränden. Im Camp 11 wurden am 5. März 2023 rund 2000 Hütten und drei Gesundheitszentren zerstört, darunter ein Zentrum des SRK und des BRH. Am späten Abend gelang es Freiwilligen des Camps, die vom BRH ausgebildet worden waren, gemeinsam mit der Feuerwehr und dem Zivilschutz von Cox’s Bazar, das Feuer zu löschen. 16'000 Menschen verloren bei diesem Unglück das Wenige, das sie besassen, und standen einmal mehr ohne Dach über dem Kopf da.
Brände sind eine riesige Gefahr, da sich Bambus extrem leicht entzündet. Nach dem Brand bauten wir 225 temporäre Unterkünfte wieder auf.»
Felicitas Ledergerber, SRK Delegierte in Cox's Bazar
Insgesamt erstellten das Rote Kreuz und der Rote Halbmond 1850 Unterkünfte wieder neu. Jede bietet auf rund 14 m2 Platz für sechs Personen. Diese Fläche liegt zwar unter den internationalen Standards, doch in diesem Kontext und angesichts der hohen Bevölkerungsdichte ist es unmöglich, den Wiederaufbau besser zu machen.
Zentren für die medizinische Grundversorgung
Um die dringendsten Gesundheitsbedürfnisse zu decken, half das SRK seit 2018, in den Camps fünf Zentren für die medizinische Grundversorgung einzurichten. Diese Zentren bieten allgemeinmedizinische und augenärztliche Sprechstunden, eine Notfallversorgung, Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe. Ausserdem leisten sie psychosoziale Unterstützung, betreuen Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt und helfen bei der Suche nach vermissten Angehörigen. Die meisten Patientinnen und Patienten sind Frauen und Kinder. Im Jahr 2023 wurden 167 300 Konsultationen gezählt.
Finanzierung wird schwieriger
Seit einigen Jahren nimmt das Medieninteresse an der Situation in den Camps von Cox’s Bazar ab. Gelder für die internationale Hilfe fliessen spärlicher. Die humanitären Organisationen müssen Abstriche machen. «Unsere Gesundheitszentren sind für die Bevölkerung überlebenswichtig. Wir brauchen Mittel für die weitere Finanzierung. Selbst die UNO musste die Essensrationen kürzen. Das macht alles sehr schwierig», bedauert Benedikt Kälin, der im Herbst 2023 letztmals vor Ort war. «Ich war erschüttert von der Not der Familien, die ich getroffen habe. Sie besitzen praktisch nichts: nur wenige Kleider, einen kleinen Lebensmittelvorrat. Sie sind komplett von internationaler Hilfe abhängig.»