EU-Migrations- und Asylpakt: Umsetzung durch die Schweiz
Der EU-Migrations- und Asylpakt führt auch in der Schweiz zu Anpassungen. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen und Prozesse wirken sich direkt auf Schutzsuchende aus. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) setzt sich dafür ein, dass der Schutz von verletzlichen Migrantinnen und Migranten und die Einhaltung der Grundrechte garantiert bleiben und ruft dazu auf, dass die Schweiz sich solidarisch zeigt.
Der EU-Pakt führt zu starken Einschränkungen beim Zugang zu Asyl. Das Risiko das Grundrechte verletzt werden ist dabei hoch – vor allem an den Aussengrenzen der EU. Dieser restriktive Ansatz spiegelt sich auch in den auf nationaler Ebene geplanten Massnahmen des Bundesrats wider. Das bereitet uns Sorge.
Der EU-Pakt führt zu Einschränkungen für Schutzsuchende. Die Schweiz kann ihren Handlungsspielraum jedoch nutzen, um auf nationaler Ebene einen besseren Schutz der Menschen zu bewirken.
Vanessa Ballarin, Stv. Leiterin Fachbereich Migration (SRK)
In Übereinstimmung mit dem Rotkreuz-Grundsatz der «Menschlichkeit» setzt sich das SRK dafür ein, dass fundamentale Werte der Schweiz weiterhin gewahrt bleiben: Die Achtung der Menschenwürde und der Schutz von verletzlichen Personen. Mit unserer Vernehmlassungs-Antwort wollen wir dazu beitragen, dass diese Grundsätze in der Umsetzung des EU-Migrations- und Asylpakts ausreichend Berücksichtigung finden.
KURZ ERKLÄRT
Beteiligung der Schweiz
Die Schweiz übernimmt als assoziierter Schengen-/Dublin-Staat mehrere Verordnungen des Pakts teilweise oder vollständig. Zum Vorschlag des Bundesrats, wie die Übernahme der Rechtsgrundlagen durch die Schweiz erfolgen soll, fand eine Vernehmlassung statt, zu der sich verschiedene Akteure – darunter das SRK – geäussert haben.
Vorhandenen Spielraum nutzen
Der Pakt beruht auf einem komplexen Regelwerk, das nur funktionieren kann, wenn sich alle Staaten zu einer verantwortungsvollen und solidarischen Umsetzung verpflichten.
Das SRK trägt verschiedene Vorschläge zur Stärkung der Grundrechte an den Bundesrat. Die Konstruktion des Paktes bietet Spielraum und dieser sollte genutzt werden, um eine gewisse Flexibilität und einen besseren Schutz der Menschen in unserem nationalen Recht zu gewährleisten. Das SRK sieht es als Chance, dass die Schweiz die Übernahme des EU-Paktes zum Anlass nimmt ihr Schutzsystem insgesamt zu verbessern. Dazu bieten auch Elemente des Pakts Orientierung, welche die Schweiz nicht verpflichtend übernehmen muss.
Familien und Verletzliche schützen
Der Spielraum bei der Umsetzung des Paktes soll unter anderem folgenden Zielen dienen:
Das Kindeswohl schützen
Die Familieneinheit wahren
Besonders verletzliche Migrantinnen und Migranten schützen
Massnahmen die in diese Richtung gehen könnten sind: klare Kriterien für die Anwendung der Souveränitätsklausel festlegen oder einen kostenlosen Rechtsschutz ab Beginn des Überprüfungsverfahrens einführen.
Inhaftierungen müssen aus Sicht des SRK immer das Mittel letzter Wahl sein und sind für Kinder, Familien und verletzliche Personen vollständig zu vermeiden.
Die Empfehlungen des SRK
In unserer Vernehmlassungs-Antwort zum EU-Migrations- und Asylpakt in Bezug auf die Schweiz, schlagen wir folgende Anpassungen des Gesetzesentwurfs vor, um den Schutz von Migrantinnen und Migranten zu stärken:
Verbindliche, faire und dauerhafte Beteiligung der Schweiz am Solidaritätsmechanismus durch die Übernahme von Personen (Relocation).
Festlegung klarer Kriterien für die Anwendung der Souveränitätsklausel, insbesondere zum Schutz des Kindeswohls, zur Wahrung der Familieneinheit und zum Schutz besonders verletzlicher Migrantinnen und Migranten.
Anwendung des Verfahrens für die Suche und Identifizierung von Familienmitgliedern zur Wahrung der Familieneinheit mit dem Einverständnis der betroffenen Personen.
Ausweitung von Tonaufzeichnungen auf Anhörungen im Rahmen des Asylverfahrens.
Inhaftierungen müssen das Mittel letzter Wahl sein; alternative Massnahmen sind in jedem Fall abzuklären. Für Kinder, Familien und verletzliche Personen sind Inhaftierungen vollständig zu vermeiden.
Einrichtung eines wirksamen, qualitativ hochstehenden Systems zur Identifizierung von Vulnerabilität im Rahmen des Überprüfungs- und des Asylverfahrens.
Einführung eines kostenlosen Rechtsschutzes ab Beginn des Überprüfungsverfahrens.
Verbesserung des Zugangs zum Familiennachzug durch die Übernahme gewisser Aspekte der entsprechenden EU-Richtlinie.