«Geflüchtete brauchen Klarheit und Sicherheit»
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) unterstützt geflüchtete Menschen in der Schweiz. Seit Ende Februar haben über 65'000 Menschen aus der Ukraine in der Schweiz Schutz vor dem Krieg in ihrem Land gesucht. Die Einsatzleiterin in der Geschäftsstelle des SRK, Dorothee Minder, erklärt, was das SRK mit seinen Kantonalverbänden unternimmt, um die Integration der Geflüchteten und die vielen Freiwilligen in der Schweiz zu unterstützen.
Wie setzt sich das SRK für die Integration von Geflüchteten ein?
Wir begleiten Geflüchtete im Alltag und koordinieren das freiwillige Engagement. Für Fachpersonen, Freiwillige und Gastfamilien bieten wir das nötige Wissen und Beratung an. Die Kantonalverbände des SRK bieten teils unterschiedliche Dienstleistungen an, die auf die Situation im Kanton zugeschnitten sind. Ein übergreifender Schwerpunkt ist die psychosoziale Unterstützung. In diesem Bereich dürfen wir auf viel Erfahrungswissen zurückgreifen. Auf Anfrage der Behörden leisten wir Unterstützung, wo es nötig ist. Beispielsweise in Bundesasylzentren. In einigen Kantonen ist das SRK für die Grundversorgung im Asylbereich zuständig. Es ist wichtig, dass unsere bestehenden Angebote für Geflüchtete nicht geschwächt werden, weil wir mehr Ressourcen für die vielen neuankommenden Menschen brauchen. Die bestehenden Dienstleistungen verstärken wir deshalb mit zusätzlichem Personal und Freiwilligen.
Dorothee Minder
Die 42-Jährige ist seit April 2022 Einsatzleiterin Ukraine Inland in der Geschäftsstelle des SRK. Als Projektleiterin war sie vorher zuständig für die Aktion 2 × Weihnachten und die Einzelhilfe SRK.
Einige Gastfamilien berichten von Schwierigkeiten. Wie trägt das SRK dazu bei, diese zu lösen?
Grundsätzlich ist das Gastfamilienprojekt eine Initiative der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und wird in jedem Kanton unterschiedlich umgesetzt. Einige Kantone beauftragen Partnerorganisationen, auch das SRK. Wenn die Gäste und die Gastfamilie für das Zusammenleben zueinander passen, ist eine private Unterkunft für den Anfang eine gute Option. Das kann durchaus die Integration erleichtern. Private entlasten die Strukturen und Behörden. Gastfamilie zu sein, ist aber emotional, sozial und finanziell anstrengend. Bei Problemen sollte man sich unbedingt an die zuständige Organisation wenden. Das SRK informiert in Broschüren und Podcasts wie man erkennt, dass ein Mensch traumatisiert sein könnte und wie man ihn unterstützen kann. Je nach Kanton können Menschen, die mit Geflüchteten zu tun haben, Ausbildungs-Treffen und Beratungstermine in Anspruch nehmen.
Das SRK informiert über Symptome einer Traumatisierung.
Dorothee Minder, SRK-Einsatzleiterin Ukraine Inland
Was rätst du Gastfamilien und Freiwilligen, die sich für die Integration von Geflüchteten engagieren möchten?
Ans Herz legen möchte ich allen infobox-migration.ch. (Anmerkung der Redaktion: Die Website wurde 2024 eingestellt und die Informationen auf migesplus.ch übertragen). Diese Online-Plattform informiert über unterschiedliche Themen. Es gibt zum Beispiel Bildwörterbücher, rechtliche Informationen und Tipps zur Selbstfürsorge. Wer sich neu im Bereich Migration engagieren möchte, wendet sich am besten an das SRK in seinem Kanton. Wir sind dankbar, wenn Interessierte etwas Geduld mitbringen. Das SRK legt Wert auf die Qualitätssicherung in der Freiwilligenarbeit. Daher verstreicht in der Regel zwischen der Anmeldung und dem ersten Einsatz etwas Zeit.
Welche Bilanz ziehst du nach den ersten Monaten als Einsatzleiterin?
In starker Erinnerung bleibt mir ein Besuch im Bundesasylzentrum zu Beginn des Krieges. Dort habe ich realisiert, wie deutlich sich die Fluchtbewegung aus der Ukraine von anderen unterscheidet. Die Geflüchteten gelangen rasch in die Schweiz. Es sind grösstenteils Frauen und Kinder. Das ist wirklich eine besondere Situation. In der ersten Phase ist es besonders wichtig, Klarheit und Sicherheit zu vermitteln. Die Menschen müssen wissen, was von ihnen erwartet wird, was ihnen zusteht und wohin sie sich wenden können. Die Basiskommunikation bleibt eine der grössten Herausforderungen. Deshalb investieren wir viel in Übersetzungen und Orientierungshilfen wie die Plattform helpful.redcross.ch, wo Informationen über das Leben in der Schweiz auf Ukrainisch und Russisch zu finden sind (Anmerkung der Redaktion: Die Website wurde ende Juni 2024 eingestellt).