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Sprach- und Kulturangebote für Geflüchtete in Lugano

Reportage

Im ehemaligen Kapuzinerkloster in Lugano leben Geflüchtete aus der Ukraine. Mitarbeitende und Freiwillige des Roten Kreuzes sowie eine Übersetzerin unterstützen sie beim Ankommen in der Schweiz. Mit Sprach- und Kulturangeboten bringt das SRK Sektion Sottoceneri Stabilität und Struktur hinter die Klostermauern aus dem 17. Jahrhundert.

Es riecht nach Kaffee im Aufenthaltsraum des ehemaligen Kapuzinerklosters im Zentrum von Lugano. Frühstücksgeschirr scheppert, wird zusammengeräumt und in die Küche getragen. Die letzten «Ospiti» (Gäste) trinken noch ihren Morgenkaffee aus, während die Rotkreuz-Mitarbeiterinnen, Selica und Jamileh, auf einem der Tische die Arbeitsblätter für den Sprach- und Kulturunterricht verteilen. Seit April ist das Rote Kreuz Tessin (Region Sottoceneri) drei Mal pro Woche am Morgen vor Ort.

Bogdan, der Barista

«Cappucino, Americano, Espresso, Latte Macchiato?» Der gut 20-jährige Bogdan hat sich schnell einen Namen als Barista gemacht im Asylzentrum. Mit gewinnendem Charme bringt der junge Mann aus der Ukraine den beiden Mitarbeiterinnen vom Roten Kreuz ihre Getränke und setzt sich vor eines der Arbeitsblätter.
Bogdan ist ein regelmässiger Besucher der Kurse und kann sich auch schon gut auf Italienisch unterhalten. Nicht über seine Zeit vor und während der Flucht, darüber spricht er nicht – aber über die glänzende, vielseitige Kaffeemaschine oder über das Picknick im Parco Ciani von letzter Woche.

Gabriella, die Freiwillige

«Wir wollen Freude und Leichtigkeit in den Alltag im Zentrum bringen und fragen nicht zu viel nach», erklärt Gabriella, eine freiwillige Mitarbeiterin des Roten Kreuzes, die sich Selica und Jamileh für den Unterricht angeschlossen hat. «Die Geschichten kommen dann mit der Zeit von selber, wenn man sich etwas besser kennt», weiss sie aus Erfahrung. Als Lohn reicht der Freiwilligen die grosse Wertschätzung und die Dankbarkeit der Gäste. «Es ist schön für mich, etwas beitragen zu können», stellt Gabriella fest, während sie konjugierte Verben auf das Whiteboard schreibt.

Natalia, das Sprachtalent

«Buongiorno, Natalia, come stai?», ruft Selica, der älteren Frau zu, die sich nun zu Bogdan an den Tisch gesetzt hat. «… bene grazie. … e tu?», antwortet Natalia mit einem zufriedenen Lächeln. Natalia war vor ihrer Pensionierung Lehrerin für gehörlose Kinder, saugt jetzt wissbegierig jedes neue Wort auf und konjugiert das unregelmässige Verb mangiare bereits mit Leichtigkeit. Sie geniesst die Momente mit den Frauen vom Roten Kreuz sichtlich.

Jamileh, die Rotkreuz-Mitarbeiterin

«Wir haben Zeit und hören zu. Die Atmosphäre ist vertrauensvoll und freundschaftlich. Die Gäste wenden sich mit Fragen aus allen Lebensbereichen an uns», erzählt Jamileh. Sie arbeitet als ausgebildete interkulturelle Übersetzerin beim Roten Kreuz. Selber ist sie vor zehn Jahren aus Afghanistan geflüchtet und lebt heute mit Mann und zwei Söhnen im Tessin. «Ich kann meine Erfahrungen als Geflüchtete teilen und die Kraft vermitteln, die es braucht, um in dieser anspruchsvollen und ungewissen Situation weiterzumachen».

Ella, die Übersetzerin

Ella ist immer dort zur Stelle, wo ihre Landsleute verstanden werden wollen. «Ich bin mehr als die Übersetzerin, bin von morgens bis abends im Zentrum und gehe auch mit zum Arzt und zum Amt – wir sind hier wie eine grosse Familie». Ihre Arbeit und ihre Präsenz werde sehr geschätzt, erzählt Ella dankbar und wendet sich Selica und Natalia zu. Sie wird gebraucht.

Familie auf Zeit

Kurz vor dem Mittag serviert der Barista Bogdan noch eine Runde Kaffee. Die Maschine faucht und zischt, der Aufenthaltsraum füllt sich mit Kaffeeduft und aus der Küche kommt bereits das Mittagessen: Pasta mit Salsiccia. Selica, Jamileh und Gabriella verabschieden sich für heute. Wer von dieser Familie auf Zeit wohl übermorgen wieder alles dabei ist, bei Kaffee und konjugierten Verben?

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